Der Markt für Luxusautomobile war immer schon klein. In den 30er-Jahren holte die kleinen Edelproduzenten auch noch der Fortschritt ein. Handwerkliche Einzelfertigung konkurrierte mit modernen Großserienprodukten, es half nur die Flucht nach vorn. Der Rolls-Royce Wraith von 1938 trug darum einige bemerkenswerte Neuerungen, die ihn dem Zeitgeist näherbrachten. Er feiert 2018 sein 80-jähriges Jubiläum.
Während die Flugmotoren von Rolls-Royce zum Ende der 30er-Jahre boomten, stand die edle, aber kleine Automobilsparte vor einem grundsätzlichen Problem. Traditionelle Handwerkskunst konkurrierte mit immer ausgefeilterer Großserientechnik, die dazu zwang, neue Wege zu gehen, wollte man den Anschluss nicht vollends verlieren. William A. Robotham, in diesen Jahren Leiter der Fahrgestellversuchsabteilung von Rolls-Royce, war bereits 1934 in die USA gereist, um dort neue Fertigungstechniken kennenzulernen. Keiner in der ganzen Welt konnte damals so gut und so rationell Autos bauen wie die Amerikaner.
Robotham kehrte mit der Erkenntnis zurück, nicht mehr alle Teile selbst herstellen zu müssen, wenn dies andere ebenso gut aber günstiger können. Dazu wollte er moderner produzieren, auch die Stückzahlen deutlich erhöhen. Er war überzeugt: Nur wenn es gelingen würde, mehr Fahrzeuge als bisher zu verkaufen, könne die Automobilsparte bei Rolls-Royce überleben. Dieser entschlossene Schritt in die Zukunft zeigte sich im Modell „Wraith“ (engl. für Geist) und es sollte ein guter Geist werden.
Der Blick nach vorn – Rolls-Royce Wraith.
Bei der Konstruktion des Fahrgestells orientierte man sich weitgehend am Schwestermodell Phantom III mit vorderer Einzelradaufhängung, verstellbaren Stoßdämpfern und hydraulischem Wagenheber. Der Rahmen samt Verstrebungen wies zahlreiche Durchbohrungen zur Gewichtserleichterung auf und war – anders als beim Phantom III – teilweise vernietet anstatt verschweißt. Den Antrieb übernahm ein Sechszylinder mit einem Zylinderblock aus Leichtmetall und 4,257 Liter Hubraum, der stark überarbeitet und deutlich leichter als beim Vorgänger Rolls-Royce 25/30 hp geworden war. Das erstmals bei einem Rolls-Royce vollsynchronisierte Vierganggetriebe war beim Wraith direkt am Motor angeflanscht. Dieses Modell war auch der erste Rolls-Royce ohne Hebel am Lenkrad für die Zündverstellung, da diese jetzt automatisch erfolgte.
Karosserien nach Maß und Wunsch.
Die Karosserien fertigten ganz traditionell darauf spezialisierte Firmen wie James Young, Mulliner oder Hooper an, um nur ein paar zu nennen. Die individuellen Wünsche der Kunden standen dabei im Vordergrund. Als Park Ward in London während der Wirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten geriet, kaufte Rolls-Royce zuerst Anteile an dem Betrieb, um ihn ein paar Jahre später komplett zu übernehmen. Damit erweiterte man geschickt die eigenen Möglichkeiten.
Der Wraith lebte nur bis 1939, dann kam mit dem Krieg das Ende. Es entstanden gerade mal 491 Stück. Als Silver Wraith sollte er 1946 in weiter modernisierter Form wiederauferstehen und viel zum neuen Erfolg beitragen. Heute steht er als Zeichen für Fortschritt und Veränderung.
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